Wenn eine Person Gesellschafter einer GbR (also Mitglied einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts) ist, treffen im Erbfall Erbrecht und Gesellschaftsrecht aufeinander:
Einerseits bestimmt das Gesellschaftsrecht, wie eine GbR funktioniert, und wie mit der Mitgliedschaft bzw. den Gesellschaftsanteilen eines Teilhabers im Falle von dessen Ableben zu verfahren ist. Andererseits hat der Gesellschafter das Recht, über die Aufteilung seines Vermögens nach seinem Tode (inklusive Unternehmensanteilen oder Vertragsbindungen) selbst durch letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) zu entscheiden.
Sowohl für das Gesellschaftsrecht als auch für das Erbrecht existieren gesetzliche Entwürfe, die automatisch greifen, wenn keine individuellen (vertraglichen oder testamentarischen) Regelungen getroffen wurden. Wenn dies jedoch der Fall ist, also eine letztwillige Verfügung bzw. ein Gesellschaftsvertrag existieren, die von der gesetzlichen Regelung abweichen, können diese im Erbfall miteinander kollidieren.
Bei der Aufsetzung eines Gesellschaftsvertrags bzw. eines Testamentes oder Erbvertrages ist also unbedingt darauf zu achten, dass keine Widersprüche entstehen.
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// Inhaltsübersicht
- Wie eine GbR funktioniert
- Welche Rechte die Gesellschafter einer GbR am Gesellschaftsvermögen haben
- Wie die gesetzliche Rechtsnachfolge in einer GbR funktioniert
- Welche Alternativen zur gesetzlichen Rechtsnachfolge es gibt
- Was eine Fortsetzungsklausel bewirkt
- Was eine Eintrittsklausel bewirkt
- Wann Pflichtteilsansprüche entstehen können
- Was passiert, wenn Testament und Gesellschaftsvertrag kollidieren
Wie funktioniert eine GbR?
Eine GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auch BGB-Gesellschaft genannt) ist eine Vereinigung von mindestens zwei Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks. Häufig handelt es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Freiberufler. Basis der GbR ist ein Gesellschaftsvertrag gemäß den Bestimmungen von §§ 705 ff. BGB, der Aufgabe und Gestalt der GbR regelt. Es gibt für diesen Vertrag keine Formvorschriften, er kann theoretisch also sogar rein mündlich abgeschlossen werden, und fußt auf dem Grundsatz des gegenseitigen persönlichen Vertrauens der Gesellschafter in der Verfolgung des gemeinsamen Zwecks. Integraler Bestandteil dieses Gesellschaftsvertrags ist dementsprechend die Benennung der Vertragspartner, also der GbR-Mitglieder. Daher kann der Personenkreis der GbR-Mitglieder nicht ohne weiteres geändert werden, sondern dies erfordert eine Änderung des Gesellschaftsvertrags mit Zustimmung aller Mitglieder. Ein Ausscheiden eines Mitgliedes aus der GbR beendet den bestehenden Gesellschaftsvertrag, bewirkt also automatisch deren Auflösung.
Welche Rechte haben die Gesellschafter einer GbR am Gesellschaftsvermögen?
Eine GbR ist eine Gesamthandsgemeinschaft. Das bedeutet, dass gemäß § 719 BGB das Gesellschaftsvermögen nur allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht. Kein einzelner Gesellschafter kann über Anteile des Gesellschaftsvermögens selbständig verfügen. Dementsprechend kann auch kein Gesellschafter einer GbR Anteile aus deren Vermögen vererben.
Anderslautende Verfügungen in Testamenten oder Erbverträgen sind unwirksam. Das heißt aber nicht, dass durch den Erblasser in die GbR eingebrachte Vermögensanteile den Erben in jedem Fall völlig entzogen sind.
Wie funktioniert die gesetzliche Rechtsnachfolge einer GbR?
Die Rechtsnachfolge im gesellschaftlichen Recht ist nach dem gleichen Grundgedanken wie die Erbfolge im Erbrecht geregelt: Gibt es keine vertraglichen Bestimmungen darüber, so greift die gesetzliche Regel. Diese sieht bei der Rechtsnachfolge einer GbR folgendermaßen aus:
Wenn ein Gesellschafter aus der GbR ausscheidet (sei es durch seine Entscheidung oder durch seinen Tod), wird die Gesellschaft dadurch gemäß § 727 Abs.1 BGB automatisch aufgelöst. Das Gesellschaftsvermögen wird gemäß § 730 BGB liquidiert und unter den Gesellschaftern aufgeteilt („auseinandergesetzt“), wobei der Anteil des Ausgeschiedenen, wenn dieser verstorben ist, an dessen Erben fällt. Diese Auszahlung des Anteils erfolgt ggf. durch die übrigen Gesellschafter, kann also nicht durch den Verstorbenen per Testament einem Erben zugesprochen werden.
Mit der Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens ist die Auflösung der GbR vollzogen.
Welche Alternativen gibt es zur gesetzlichen Rechtsnachfolge?
Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit haben die Gesellschafter einer GbR die Möglichkeit, in ihrem Gesellschaftsvertrag eine anderslautende Regelung für die Rechtsnachfolge bzw. den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters zu treffen, durch die keine automatische Auflösung der GbR erfolgt. Eine solche, anders lautende Regelung setzt die gesetzliche Regelung außer Kraft. Dies kann durch die Aufnahme einer Fortsetzungsklausel und/oder einer Eintrittsklausel in den Gesellschaftsvertrag bewerkstelligt werden.
Was bewirkt eine Fortsetzungsklausel?
Eine Fortsetzungsklausel besagt zunächst, dass das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der GbR nicht deren Auflösung zur Folge hat, und keine Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens stattfindet. Dies wird dadurch ermöglicht, dass der Ausscheidende seine Gesellschaftsanteile verliert, und lediglich einen Anspruch auf eine Abfindungszahlung behält. Erfolgt das Ausscheiden durch den Tod, so fällt der Abfindungsanspruch dem Erben zu. Alles weitere (also wer erbt, und wie das Erbe geteilt wird) richtet sich nach der letztwilligen Verfügung des Verstorbenen.
Es besteht also, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel enthält, kein Anspruch der Erben auf Auszahlung des Anteils des Erblassers am Gesellschaftsvermögen der GbR, sondern nur der Anspruch auf eine Abfindung.
Erst wenn der „vorletzte“ Gesellschafter stirbt (da eine GbR ja im Gegensatz zu einer GmbH aus mindestens zwei Personen bestehen muss), gilt die GbR als „vollbeendet“ und das übrige Gesamtvermögen fällt an den letzten lebenden Gesellschafter (§ 738 Abs.1 Satz 1 BGB). Es entstehen also auch zu keinem späteren Zeitpunkt mehr Ansprüche seitens der Erben.
Was bewirkt eine Eintrittsklausel?
Alternativ zur Fortsetzungsklausel, laut derer ein Gesellschafter durch Tod ersatzlos aus der GbR ausscheidet, kann auch eine Eintrittsklausel im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, die besagt, dass mit Zustimmung aller verbliebenen Gesellschafter ein Erbe des Verstorbenen dessen Platz einnimmt. Dann übernimmt dieser die Anteile des Verstorbenen am Gesamtvermögen der GbR, was bedeutet, dass seine Abfindungsansprüche entfallen.
Eine Eintrittsklausel kann etwa so aussehen, dass der testamentarische Alleinerbe eines jeden Gesellschafters binnen sechs Monaten nach Erbfall die Ãœbernahme von dessen Mitgliedschaft in der GbR antreten kann. Nach Verstreichen dieser Frist greifen die Bestimmungen einer normalen Fortsetzungsklausel, inklusive Abfindung.
Wann können Pflichtteilsansprüche entstehen?
Der gesetzliche Pflichtteil steht in Deutschland jedem gesetzlichen Erben zu, auch wenn dieser laut letztwilliger Verfügung des Erblassers nichts aus dem Erbe zu bekommen hat. Er kann diesen Anspruch gegenüber dem testamentarischen Erben geltend machen. Zur Berechnung des Pflichtteils muss der genaue Gesamtwert des Nachlasses, also im Falle einer GbR-Mitgliedschaft des Erblassers auch die genaue Höhe von dessen Anteil am Gesellschaftsvermögen errechnet werden, was sich in einer Gesamthandsgesellschaft kompliziert gestalten kann.
Erhält der testamentarische Erbe lediglich eine Abfindung, entfällt dieser Aufwand.
Die Abfindung ist allerdings als Schenkung zu behandeln, was wiederum Pflichtteilsansprüche der Miterben begründen kann. Auch dies ist bei der Erbfolgeregelung zu berücksichtigen.
Was passiert, wenn Testament und Gesellschaftsvertrag kollidieren?
Wenn die Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag der GbR der letztwilligen Verfügung eines GbR-Mitgliedes zuwiderlaufen, geht, kurz gesagt, Gesellschaftsrecht vor Erbrecht.
Es obliegt daher der Verantwortung eines jeden Gesellschafters, die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags bei der Verteilung seines Erbes vor Augen zu haben. Wenn er seinen Erben etwas verspricht, was nicht mit diesem Vertrag vereinbar ist, geht dies zum Nachteil der Erben.
Um solche Stolperfallen zu umgehen, lohnt es sich, sich bei der Errichtung von Testamenten oder Erbverträgen juristisch beraten zu lassen, entweder durch einen Notar oder durch einen Fachanwalt für Erbrecht.
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Über die Autoren
Dr. de Leve & Kersten
Dr. de Leve ist Fachanwalt für Erbrecht und wurde in diesem Bereich als Focus Top Anwalt ausgezeichnet. Rechtsanwalt Florian Kersten verfügt ebenso über eine jahrelange Erfahrung als Anwalt für Erbrecht.
Die Kanzlei "Dr. de Leve & Kersten" befindet sich in Münster (Nordrhein-Westfalen). Von dort aus beraten und vertreten die Anwälte Mandanten bei den Themen Vorsorge, Werterhalt und Wertweitergabe aus ganz Deutschland.