Mit dem Tode eines Menschen werden seine Erben seine Rechtsnachfolger. Sie übernehmen also nicht nur sein Vermögen und seine Eigentumsrechte, sondern auch seine vertraglichen Verpflichtungen. In den allermeisten Fällen hat der Erblasser sich nicht langfristig auf sein Ableben vorbereitet und alle Angelegenheiten - von der Abzahlung seines Hauses bis zur Kündigung seines Zeitschriftenabonnements - zuvor geregelt. Meistens bestehen noch Verträge, offene Rechnungen und andere Verbindlichkeiten - die sogenannten Passiva des Nachlasses - also die Posten, vor denen im Nachlassverzeichnis ein Minus steht. Deckt der Nachlass diese Kosten nicht, müssen Erben gegebenenfalls mit ihrem eigenen Privatvermögen haften.
Im folgenden Rechtstipp erfahren Sie, was Nachlassverbindlichkeiten sind, und inwiefern ein Erbe seine Haftung für diese Verbindlichkeiten beschränken kann.
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// Inhaltsübersicht
- Was gilt als Nachlassverbindlichkeiten?
- Kann ein Erbe Nachlassverbindlichkeiten ablehnen?
- Wie kann sich ein Erbe vor Nachlassverbindlichkeiten schützen?
- Wie kann ein Erbe seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten beschränken?
- Wie funktioniert eine Dürftigkeitseinrede?
- Wie funktioniert ein Aufgebotsverfahren?
- Wie funktioniert eine Nachlassverwaltung?
- Wie funktioniert ein Nachlassinsolvenzverfahren?
- Welche Fristen sind zur Haftungsbeschränkung zu beachten?
Was gilt als Nachlassverbindlichkeiten?
Die Nachlassverbindlichkeiten lassen sich danach, wodurch sie entstanden sind, in zwei Kategorien aufteilen: Erblasserschulden und Erbfallschulden.
Erblasserschulden
Erblasserschulden sind offene Rechnungen, die vor dem Tod des Erblassers entstanden sind. Beispielsweise offene Kredite, Hypotheken, Privat- und Steuerschulden.
Nicht dazu zählen sogenannte personenbezogene Verpflichtungen. Wenn der Erblasser etwa Kassenwart seines Kegelclubs war, geht dieses Amt nicht automatisch auf den Erben über.
Ebenfalls nicht dazu zählen Unterhaltspflichten.
Erbfallschulden
Erbfallschulden sind offene Rechnungen, die durch den Tod des Erblassers entstanden sind. Beispielsweise Bestattungskosten, Vermächtnisauflagen, aber auch sogenannte Nachlasskostenschulden.
Letztere sind unter Umständen umfangreicher als man im ersten Moment denkt, und wachsen im Laufe der Nachlassabwicklung noch an. Es handelt sich dabei etwa um Kosten für die Testamentseröffnung und -vollstreckung, Nachlassverwaltung, Nachlassverzeichniserstellung oder ein Nachlassinsolvenzverfahren. Diese Kosten können auch einen zunächst gut dastehenden Nachlass auffressen.
Einige dieser Erbfallschulden sind steuerlich absetzbar. Hierzu empfiehlt sich eine anwaltliche Beratung.
Kann ein Erbe Nachlassverbindlichkeiten ablehnen?
Gemäß § 1922 BGB erfolgt durch eine Erbschaft eine sogenannte „Universalsukzession“. Das bedeutet, dass der Erbe als Rechtsnachfolger des Erblassers mit dessen Vermögen auch alle vertraglichen Bindungen und Verpflichtungen übernimmt. Damit haftet er für alle offenen Rechnungen mit seinem eigenen Vermögen.
Es besteht keine Möglichkeit, das Vermögen aus einem Nachlass einzustreichen, und die Zahlung offener Rechnungen abzulehnen.
Daher ist es enorm wichtig, sich im Erbfall umgehend darum zu kümmern, sich einen Überblick über das Verhältnis von Plus und Minus im Nachlass zu verschaffen.
Ist ein Nachlass stark mit Nachlassverbindlichkeiten beschwert, ist der Erbe diesen jedoch nicht schutzlos ausgeliefert, sondern hat mehrere verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren und sich und sein Privatvermögen vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger zu schützen.
Wie kann sich ein Erbe vor Nachlassverbindlichkeiten schützen?
Jeder Erbe hat das Recht, ein Erbe anzunehmen oder auszuschlagen, ohne dies weiter begründen zu müssen. Durch Ausschlagung gilt die Erbschaft als nicht angetreten. Das heißt, der Erbe tritt nach Erbausschlagung keine Rechtsnachfolge des Erblassers an, und wird somit durch keinerlei Nachlassverbindlichkeiten belastet, verliert aber auch alle Anrechte auf Beteiligung am Nachlass, und formell jedes Mitspracherecht bei der Verteilung und Verwertung.
Falls alle in Frage kommenden Erben nacheinander die Erbschaft ausschlagen sollten, fällt sie zuletzt an den Staat. Wenn ein Nachlass überschuldet ist, also nur aus offenen Rechnungen besteht, kann eine Erbausschlagung ratsam sein. Sie muss gemäß § 1944 Abs. 1 BGB innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall erfolgen.
Weitere Infos zur Erbausschlagung
Wenn Sie die Frist zu Erbausschlagung verpasst haben, oder von der Höhe der Nachlassverbindlichkeiten zunächst nichts wussten, oder aus anderen Gründen das Erbe angetreten haben, und später um ihr Privatvermögen fürchten müssen, gibt es weitere Möglichkeiten, sich durch eine Beschränkung der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten zu schützen.
Wie kann ein Erbe seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten beschränken?
Um zu verhindern, dass ein Erbe sich für die offenen Rechnungen eines verstorbenen Erblassers ruinieren muss, gibt es verschiedene Wege, die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken, und das Privatvermögen des Erben vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger zu bewahren. Dies ist möglich, wenn der Nachlass entweder bereits überschuldet ist, oder aber durch Erbfall- und Nachlassabwicklungskosten die Überschuldung droht.
Eine Haftungsbeschränkung kann sowohl befristet und im Bezug auf einzelne Gläubiger, als auch dauerhaft und generell geltend gemacht werden.
Die vorübergehende Haftungsbeschränkung ist möglich durch
- Vereinbarung mit einem Gläubiger und
- Dreimonatseinrede.
Die sogenannte Dreimonatseinrede ist das Recht jedes Erben, in den ersten drei Monaten nach Annahme des Erbes alle Zahlungen an Nachlassgläubiger zu verweigern, solange der Nachlass nicht vollständig gesichtet und geordnet ist.
Dieses Zeitfenster dient zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses, falls dies in den sechs Wochen zwischen Erbfall und Erbannahme nicht abgeschlossen werden konnte.
Eine dauernde Haftungsbeschränkung ist möglich durch
- Dürftigkeitseinrede,
- Aufgebotsverfahren,
- Nachlassverwaltung,
- Nachlassinsolvenz.
Wie funktioniert eine Dürftigkeitseinrede?
„Dürftigkeit“ bedeutet, dass der Nachlass zu gering ist, um Insolvenzverfahrenskosten zu tragen. Dies kann der Erbe gegebenenfalls durch ein Nachlassverzeichnis belegen.
Eine Dürftigkeitseinrede kann mit Begründung beim zuständigen Nachlassgericht durch Erben, Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter eingereicht werden. Wenn das Gericht die Dürftigkeit des Nachlasses anerkennt, wird eine Haftungsbeschränkung verfügt, die bewirkt, dass Nachlassgläubiger nur auf das Nachlassvermögen, nicht aber auf das Privatvermögen des Erben zugreifen können.
Dann muss der Erbe den Nachlass allerdings zur Zwangsvollstreckung herausgeben.
Wie funktioniert ein Aufgebotsverfahren?
Das Aufgebotsverfahren bewirkt keine automatische Haftungsbeschränkung! Eine solche kann jedoch daraus folgen.
Ein Aufgebot dient dazu, einen klaren Überblick über zu zahlende Nachlassverbindlichkeiten zu erhalten, um gegebenenfalls eine Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz zu beantragen.
Hierzu muss ein Antrag auf Aufgebotsverfahren beim zuständigen Nachlassgericht gestellt werden. Dieser kann in schriftlicher Form durch Erben (Alleinerben, aber auch jeden Miterben einer Erbengemeinschaft), Testamentsvollstrecker oder Nachlasspfleger gestellt werden. Auch ein Nachlassverwalter kann, wenn die Nachlassverwaltung bereits läuft, ein Aufgebotsverfahren beantragen.
Das Nachlassgericht wird sodann alle Nachlassgläubiger ermitteln und diese auffordern, ihre Forderungen gegen den Nachlass anzumelden. Die Anmeldung der Gläubigerforderungen muss mit Begründung und Nachweis innerhalb einer festgesetzten Frist erfolgen.
Ordnungsgemäße Forderungen werden anschließend per Urteil als verbindlich bekräftigt, und sind zu begleichen. Die Zahlung von nicht ordnungsgemäßen eingegangenen Forderungen kann der Erbe verweigern, wenn der Nachlass aufgebraucht ist.
Bis Abschluss des Aufgebotsverfahrens hat der Erbe das Recht, alle Zahlungen an Nachlassgläubiger zu verweigern.
Wie funktioniert eine Nachlassverwaltung?
Bei einer Nachlassverwaltung werden alle Verwaltungsaufgaben, die bezüglich des Nachlasses anfallen, durch einen vom Gericht bestellten, unabhängigen Sachverständigen übernommen, dessen Hauptaugenmerk darauf liegt, Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen. Der Erbe verliert solange alle Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse bezüglich des Nachlasses. Für eine Nachlassverwaltung wird die Trennung von Nachlassvermögen und Privatvermögen des Erben aufrechterhalten, und eine wechselseitige Haftungsbeschränkung verfügt, die bewirkt, dass Nachlassgläubiger nicht auf das Privatvermögen des Erben, und Gläubiger des Erben nicht auf den Nachlass zugreifen können. Der Antrag auf Nachlassverwaltung ist beim Nachlassgericht zu stellen und kann nur bewilligt werden, wenn noch kein Nachlassverzeichnis erstellt worden ist!
Weitere Infos zur Nachlassverwaltung
Wie funktioniert ein Nachlassinsolvenzverfahren?
Wenn die Erben feststellen, dass der Nachlass überschuldet ist, sind sie verpflichtet, umgehend ein Nachlassinsolvenzverfahren beim Insolvenzgericht zu beantragen. Andernfalls sind sie gegenüber den Nachlassgläubigern schadensersatzpflichtig. Das Verfahren kann, abgesehen von den Erben, auch durch Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker oder Nachlassgläubiger beantragt werden. Die gesetzliche Frist hierfür beträgt 2 Jahre ab der Erbannahme. Der Erbe muss dem Insolvenzgericht hierfür ein Nachlassverzeichnis und ein Gläubigerverzeichnis vorlegen. Sobald ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist, verliert der Erbe alle Verfügungsbefugnisse über den Nachlass, und seine Haftung wird auf den Nachlass beschränkt.
Das Gericht setzt sodann einen Insolvenzverwalter ein, der das alleinige Verfügungs- Verwaltungs- und Verwertungsrecht über den Nachlass ausübt.
Weitere Infos zur Nachlassinsolvenz
Welche Fristen sind zur Haftungsbeschränkung zu beachten?
- Binnen 6 Wochen ab Kenntnis vom Erbfall muss das Erbe ausgeschlagen werden, sonst gilt es als angenommmen.
- Bei Annahme des Erbes gilt die „Dreitmonatseinrede“: Der Erbe kann Zahlungen an Nachlassgläubiger verweigern bis ein Nachlassverzeichnis erstellt ist, maximal aber 3 Monate.
- Nachlassverzeichnis ist binnen 3 Monate nach Annahme des Erbes zu erstellen.
Achtung: Wird kein fristgerechtes Nachlassverzeichnis erstellt, ist jede Haftungsbeschränkung ausgeschlossen! - Sobald ein Nachlassverzeichnis erstellt ist, kann keine Nachlassverwaltung mehr beantragt werden.
- Ein Nachlassinsolvenzverfahren ist bei einem überschuldeten Nachlass binnen 2 Jahren nach Erbannahme anzustrengen.
Anwaltliche Beratung zum Thema Nachlassverbindlichkeiten und Haftungsbeschränkung
Sollten bezüglich des Nachlasses oder der Nachlassverbindlichkeiten unmittelbar nach dem Erbfall irgendwelche Unklarheiten bestehen, sind Eile und Vorsicht gleichermaßen geboten, um zu verhindern, dass Sie Ihr Privatvermögen riskieren.
Wenden Sie sich daher bei den geringsten Fragen innerhalb der 6-Wochen-Frist an einen Fachanwalt für Erbrecht, der mit Ihnen gemeinsam die Situation prüft, eine pramgatische Lösung findet und bei allen weiteren Schritten an Ihrer Seite steht.
Unsere Anwälte und Fachanwälte verfügen im Erbrecht über eine langjährige Erfahrung. Wir beraten und vertreten bundesweit Mandanten. Sie benötigen Rat? Wir helfen Ihnen gerne. Nehmen Sie Kontakt zu uns auf!
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Über die Autoren
Dr. de Leve & Kersten
Dr. de Leve ist Fachanwalt für Erbrecht und wurde in diesem Bereich als Focus Top Anwalt ausgezeichnet. Rechtsanwalt Florian Kersten verfügt ebenso über eine jahrelange Erfahrung als Anwalt für Erbrecht.
Die Kanzlei "Dr. de Leve & Kersten" befindet sich in Münster (Nordrhein-Westfalen). Von dort aus beraten und vertreten die Anwälte Mandanten bei den Themen Vorsorge, Werterhalt und Wertweitergabe aus ganz Deutschland.