
Vor- und Nacherbfolge hat nichts mit vorweggenommener Erbfolge zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine Erbfolgeregelung, die dem Erblasser eine weitreichende Kontrolle über das eigene Erbe durch eine Vorausplanung ermöglicht. Durch die Vor- und Nacherbfolge kann man nämlich die Weitergabe eines Erbes über mehrere Generationen hinweg regeln. Dies ist in gewissen Situationen ein sehr wertvolles Instrument. Es ist allerdings auch eine komplizierte Angelegenheit, und in den meisten Fällen bieten sich andere Lösungen eher an.
In diesem Rechtstipp erklären wir Ihnen, was Sie zu diesem Thema wissen müssen.
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// Inhaltsübersicht
- Wie funktioniert die Vor- und Nacherbfolge?
- Wann geht das Erbe vom Vorerben auf den Nacherben über?
- Welche Rechte und Pflichten haben Vorerbe und Nacherbe?
- Wann ist die Vor- und Nacherbfolge sinnvoll?
- Was sind die Vorteile und Nachteile?
- Können Vor- und Nacherbe die Erbschaft ausschlagen?
- Wie wird eine Vor- und Nacherbschaft besteuert?
- Was ist der Unterschied zwischen Vor- und Nacherbfolge und Berliner Testament?
- Welche Alternativen gibt es zur Vor- und Nacherbfolge?
Wie funktioniert die Vor- und Nacherbfolge?
Durch die Vor- und Nacherbfolge, die unter § 2100 BGB geregelt ist, können Sie eine Erbschaft (sei es Ihr gesamter Nachlass, ein Anteil, oder ein bestimmter Wertgegenstand) an zwei Personen vererben. Die beiden Erben funktionieren ähnlich einer Erbengemeinschaft, mit dem Unterschied, dass sie nicht nebeneinander, sondern nacheinander erben.
Hierzu bestimmen Sie testamentarisch eine Person, die nach Ihrem Tode das Erbe erhalten soll (Vorerbe) und eine andere Person, an die zu gegebener Zeit das Erbe weitergegeben wird (Nacherbe). Der Vorerbe fungiert gewissermaßen als Treuhänder, der das Erbe für den Nacherben verwaltet. Seine Rechte und Pflichten können Sie innerhalb eines gesetzlichen Rahmens selbst bestimmen. Der Nacherbe, dem Sie testamentarisch eine Anwartschaft auf Ihren Nachlass zuweisen, gilt erbrechtlich als Ihr zweiter Erbe, nicht als Erbe des Vorerben. Wenn das Erbe vom Vorerben auf den Nacherben übergeht, verliert der Vorerbe seinen Erbenstatus (§ 2139 BGB).
Wann geht das Erbe vom Vorerben auf den Nacherben über?
Sie können als Erblasser selbst den Zeitpunkt bestimmen, zu dem die Nacherbfolge in Kraft tritt. Dies kann einfach ein bestimmtes Datum in der Zukunft sein, es kann aber auch ein anlassgebundener Zeitpunkt wie etwa der Schulabschluss des Nacherben sein. Es ist auch möglich, die Nacherbfolge an Bedingungen zu knüpfen, beispielsweise, dass der Nacherbe erst nach erfolgreichem Abschluss eines Studiums das Erbe antreten kann.
Wenn Sie keinen Zeitpunkt für die Nacherbfolge festlegen, erfolgt sie automatisch zusammen mit dem Erbfall des Vorerben, also bei dessen Tod.
Falls der Nacherbe vor dem Vorerben verstirbt, erlischt die Nacherbfolge und die Erbschaft bleibt Eigentum des Vorerben. Es sei denn, Sie haben für diesen Fall noch einen Ersatz-Nacherben benannt.
Aber Achtung: Nach § 2109 Abs. 1 BGB gibt es eine gesetzliche Frist, in der eine Nacherbschaft erfolgen muss. Diese beträgt 30 Jahre nach Erbfall (also dem Tod des ursprünglichen Erblassers). Danach erlischt die Nacherbschaft, und der Vorerbe wird Vollerbe.
Welche Rechte und Pflichten haben die Vor- und Nacherben?
Sie können als Erblasser innerhalb eines rechtlichen Rahmens die Rechte und Pflichten der Erben selbst bestimmen. Das Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben ist jedoch in jedem Fall unausgeglichen, und darin liegt ein entscheidender Nachteil der Vor- und Nacherbfolge:
Der Vorerbe hat in erster Linie Pflichten gegenüber dem Nacherben, der Nacherbe hat in erster Linie Rechte. Denn damit der Nacherbe seine Erbschaft antreten kann, muss das Erbe erhalten bleiben, was bedeutet, dass die Verfügungsgewalt des Vorerben stark eingeschränkt ist.
Hierbei unterscheidet das Gesetz zwei Möglichkeiten, mit wie viel Befugnissen der Erblasser den Vorerben ausstatten kann:
- Der unbefreite Vorerbe
Im Regelfall ist der Vorerbe verpflichtet, den Nachlass für den Nacherben zu verwalten und zu erhalten. Erhaltungskosten hat er selbst zu tragen. Er darf den Nachlass nutzen und daraus entstehende Profite selbst einstreichen. Handelt es sich bei dem Erbe beispielsweise um eine Immobilie, darf der Vorerbe diese vermieten. Schmälert er jedoch den Nachlass, ist er ersatzpflichtig, bzw. Verfügungen, die er zum Nachteil des Nacherben trifft (etwa Schenkungen aus dem Erbe oder Belastung durch Kredite), sind ungültig. Verschuldet er sich, dürfen seine Gläubiger (inklusive Vater Staat) gemäß § 2115 BGB nicht auf das Erbe zugreifen, da dieses dem Nacherben zusteht.
Der Vorerbe ist berechtigt, das Erbe zu vermehren, und dessen Wert zu steigern. Der Nacherbe profitiert hiervon, da er in jedem Fall Anrecht auf das gesamte Erbe hat, auch wenn dessen Wert gestiegen ist. - Der befreite Vorerbe
Der Erblasser kann verfügen, dass der Vorerbe die Erbschaft als „befreiter Vorerbe“ antritt. Damit ist der Vorerbe von der Pflicht entbunden, das Erbe zu erhalten. Das bedeutet, er darf etwa Wertgegenstände verkaufen, oder Nachlasswerte verbrauchen, muss hierfür aber unter Umständen später Ersatz an den Nacherben leisten (§ 2138 Abs 2 BGB). Das gesetzliche Schenkungsverbot besteht fort. Die reine Wertsubstanz des Erbes muss auch durch den befreiten Vorerben erhalten werden. Ein befreiter Vorerbe kann also beispielsweise, wenn es sich bei dem Erbe um eine Immobilie handelt, diese verkaufen, und davon Aktien kaufen. Die Aktien dürfen von ihm jedoch nicht in sein eigenes Vermögen überführt werden, und alle etwaigen Gewinne stehen dem Nacherben zu. Sollten die Aktien purzeln, und vom Ursprungswert der Immobilie bleibt nichts übrig, ist der Vorerbe aus eigener Tasche ersatzpflichtig. - Der Nacherbe
Gemäß § 2121 BGB kann er jederzeit Auskunft über Status und Wert des Erbes, beispielsweise in Form eines Nachlassverzeichnisses, einfordern. Er kann vom (unbefreiten) Vorerben verlangen, dass dieser das Nachlassvermögen risikolos anlegt. Kommt der Vorerbe seinen Forderungen nicht nach, kann der Nacherbe ihm per Klage die Verwaltung des Erbes entziehen.
Wann ist die Vor- und Nacherbfolge sinnvoll?
Eine Vor- und Nacherbfolge einzurichten kann sinnvoll sein, wenn Sie den Erhalt Ihres Erbes für lange Zeit gewährleisten wollen und mit ein und demselben Erbteil oder Wertgegenstand (etwa einer Immobilie) mehrere Personen begünstigen möchten, die nicht im gleichen Alter sind.
So können Sie zum Beispiel im Rahmen eines Ehegattentestamentes verfügen, dass Ihr Ehepartner Ihr Erbe sein soll, diesen aber gleichzeitig als Vorerben für Ihre Kinder einsetzen, sodass diese später ebenfalls Ihre Vollerben sein werden. Auch zum Schutze Ihres Vermögens kann sich die Vor- und Nacherbfolge anbieten. Es gibt hierfür allerdings auch noch andere erbrechtliche Möglichkeiten. Wirklich zweckmäßig ist eine Vor- und Nacherbschaft dann, wenn Sie ein Unternehmen zu vererben haben, oder im Rahmen eines Behinderten- oder Bedürftigentestamentes einen Erben besonders begünstigen möchten (Mehr dazu hier [Link]).
Was sind die Vorteile und Nachteile einer Vor- und Nacherbfolge?
Die Vorteile im Ãœberblick
- Sie können den Vorerben wirtschaftlich versorgen, ohne dadurch das Erbe zu schmälern.
- Sie erhalten das Erbe für den Nacherben, evtl. sogar für Ihre ungeborenen Nachkommen.
- Sie können die Nacherbfolge an Bedingungen knüpfen, und somit unter Umständen den Lebensweg Ihrer Nachkommen positiv beeinflussen.
Die Nachteile im Ãœberblick
- Der Vorerbe ist in ständiger Pflicht gegenüber dem Nacherben und der Nacherbe in ständiger Warteschleife, was einiges Konfliktpotential birgt.
- Steuerlich ist die Vor- und Nacherbschaft ungünstig.
- In finanzieller Not könnte der Vorerbe das Erbe nicht verwerten.
Können Vor- und Nacherbe die Erbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen?
Sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe haben das Recht, die Erbschaft auszuschlagen:
Der Vorerbe muss dies binnen der gesetzlichen Frist von 6 Wochen ab Erbfall tun. Das Erbe fällt dann direkt weiter an den Nacherben.
Der Nacherbe kann (wenn der Vorerbe die Erbschaft angetreten hat) ab dem Todes des Erblassers zu einem beliebigen Zeitpunkt das Erbe ausschlagen, spätestens aber 6 Wochen nach Eintreten des Nacherbfalles. Schlägt der Nacherbe vor Eintreten des Nacherbfalles (also zu Lebzeiten des Vorerben) die Nacherbschaft aus, wird der Vorerbe Vollerbe. Schlägt der Nacherbe die Nacherbschaft zum Zeitpunkt des Nacherbfalles aus, fällt das Erbe an die Erben des Vorerben.
Schlagen beide das Erbe aus, greift die gesetzliche Erbfolge.
Wenn der Vor- oder Nacherbe gesetzlich pflichtteilsberechtigt ist, kann er auch nach Ausschlagung des Erbes seinen Pflichtteil fordern. Dies allerdings nur innerhalb der gesetzlichen Frist von 3 Jahren ab Erbfall.
Der Pflichtteil kann durch die Verfügung einer Vor- und Nacherbschaft gekürzt werden, da das Pflichtteilsrecht sich auf das Vermögen der Nacherbschaft beschränkt.
Mehr zum Thema Pflichtteilsrecht erfahren Sie hier [Link].
Wie wird eine Vor- und Nacherbschaft besteuert?
Der Vorerbe hat für die Erbschaft normale Erbschaftssteuer zu entrichten.
Wenn der Zeitpunkt für die Nacherbschaft durch den Erblasser selbst festgelegt wurde, diese also nicht durch den Tod des Vorerben bedingt wird, werden die durch den Vorerben gezahlten Steuern dem Nacherben angerechnet.
Wenn aber die Nacherbschaft erst aufgrund des Todes des Vorerben erfolgt, gilt steuerrechtlich der Nacherbe als Erbe des Vorerben, und es fällt dementsprechend zweimal Erbschaftssteuer an!
Erbt der Nacherbe abgesehen von der Nacherbschaft noch etwas vom Vorerben (Beispiel: Der Sohn erbt das Elternhaus als Nacherbe von seiner verwitweten Mutter, plus das Vermögen der Mutter als normales Erbe) wird diese Erbschaft noch einmal extra besteuert. Je nach Verwandtschaftsgrad sogar in verschiedenen Steuerklassen.
Ein Tipp: Der Steuersatz wird auf Antrag nach dem Verhältnis des Nacherben zum Erblasser berechnet. Wenn der Nacherbe also mit dem Erblasser näher verwandt ist als mit dem Vorerben, lohnt es sich einen entsprechenden Antrag zu stellen!
Insgesamt lässt sich feststellen, dass eine Vor- und Nacherbfolge keine steuerlichen Vorteile bietet.
Was ist der Unterschied zwischen Vor- und Nacherbfolge und Berliner Testament?
Die Vor- und Nacherbfolge hat, gerade bei der Errichtung von Ehegattentestamenten, Ähnlichkeiten mit dem sogenannten Berliner Testament. Es ist extrem wichtig, hier eindeutig zu formulieren, um Missverständnissen und Falschauslegungen vorzubeugen, da es entscheidende Unterschiede zwischen Vor- und Nacherbfolge und Berliner Testament gibt:
Gestalten Eheleute ein gemeinschaftliches Testament als Vor- und Nacherbfolge, wäre beispielsweise nach dem Tode des Mannes die überlebende Ehefrau nur Vorerbe, also Verwalter des Erbes für die Kinder. Vererbt sie es dann weiter an die Kinder, erhalten diese das Erbe des Vaters als Nacherben, und das Erbe der Mutter als normale Vollerben. Dabei fallen einmal für die Vorerbin, und zweimal für die Nacherben Steuern an.
Im Berliner Testament hingegen würde die Ehefrau Alleinerbin (Vollerbin, ohne Erhaltungspflichten), und die Kinder Schlusserben. Die Vermögen der Eheleute werden also durch den Erbfall zu einem Nachlass zusammengeführt, und als ein Nachlass weitervererbt.
Bei uneindeutigen Formulierungen in Testamenten geht die Rechtspraxis zumeist davon aus, dass es sich um ein Berliner Testament, und nicht um eine Vor- und Nacherbfolge handelt.
Welche Alternativen gibt es zur Vor- und Nacherbfolge?
Die Vor- und Nacherbfolge kann ein sinnvolles Mittel zur Gestaltung der Erbverteilung sein. In den meisten Fällen bieten sich jedoch andere Lösungen eher an, allen voran das Nießbrauchsrecht:
Anstatt beispielsweise Ihren Ehepartner als Vorerben und das Kind zum Nacherben einzusetzen, damit Ihr Ehepartner bis zu seinem Tode das gemeinsame Haus behält, und Ihr Kind es danach bekommt, können Sie auch einfach Ihr Kind als Erben einsetzen, und Ihrem Ehepartner ein lebenslanges Wohnungs- oder Nießbrauchsrecht zusprechen.
Oder Sie greifen auf die bereits dargestellte Lösung des Berliner Testamentes zurück, und setzen Ihren Ehepartner als alleinigen Vollerben, und die Kinder als Schlusserben ein.
Anwaltliche Beratung zur Vor- und Nacherbfolge
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Über die Autoren
Dr. de Leve & Kersten
Dr. de Leve ist Fachanwalt für Erbrecht und wurde in diesem Bereich als Focus Top Anwalt ausgezeichnet. Rechtsanwalt Florian Kersten verfügt ebenso über eine jahrelange Erfahrung als Anwalt für Erbrecht.
Die Kanzlei "Dr. de Leve & Kersten" befindet sich in Münster (Nordrhein-Westfalen). Von dort aus beraten und vertreten die Anwälte Mandanten bei den Themen Vorsorge, Werterhalt und Wertweitergabe aus ganz Deutschland.