Es ist grundsätzlich sinnvoll, sich möglichst frühzeitig Gedanken darüber zu machen, was eines Tages mit Ihrem Vermögen geschehen soll. Dies umfasst sowohl Geldanlagen und Barvermögen, als auch Wertgegenstände, Immobilien, oder andere dingliche Bestandteile Ihres Eigentums, die eines Tages als Bestandteil Ihres Nachlasses in den Besitz irgendeiner anderen Person übergehen werden.
Bei der Entscheidung, was mit Ihrem Nachlass geschehen soll, brauchen Sie nichts dem Zufall zu überlassen. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, um zu Lebzeiten genau zu regeln, wer was von Ihnen erhalten soll. Ihre Verfügungsgewalt erstreckt sich aber nicht bloß auf die Art der Verteilung, sondern auch auf deren Zeitpunkt. Es ist möglich, und in manchen Fällen auch sehr sinnvoll, bereits vor dem eigentlichen Erbfall Teile des Vermögens auf künftige planmäßige Erben zu übertragen.
Man spricht hierbei von der „Vorweggenommenen Erbfolge“.
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// Inhaltsübersicht
- Was die Vorweggenommene Erbfolge ist
- Vorteile und Nachteile
- Welche Arten der Vorweggenommenen Erbfolge es gibt
- Wie man sie vertraglich regeln kann
- Welche erbrechtlichen und steuerlichen Auswirkungen entstehen
- Ob eine Vermögensübertragung auch an Minderjährige möglich ist
Was ist die Vorweggenommene Erbfolge?
Bei dem Terminus „Vorweggenommene Erbfolge“ handelt es sich um einen Überbegriff, mit dem alle rechtlichen Möglichkeiten zusammengefasst werden, mit denen man bereits vor seinem Tode sein Erbe teilweise oder vollständig auf die Erben übertragen kann.
Dies will allerdings genau bedacht sein. Die Optionen, zwischen denen man zu diesem Zweck der Vermögensübertragung wählen kann, sind vielfältig, da sie an die unterschiedlichsten Situationen angepasst werden müssen. Ob Sie einen hohen Geldbetrag an einen im fernen Ausland lebenden Freund übertragen, oder Ihrem Kind das Haus vermachen, in dem Sie selbst noch wohnen, es existieren gesetzliche Regelungen, die sich genau auf Ihr Vorhaben anwenden lassen.
Hierzu ist es jedoch unabdinglich, sich über die Möglichkeiten zu informieren, und sich vor allen Dingen über die eventuellen Vor- und Nachteile im Klaren zu sein.
Welche Vor- und Nachteile hat die vorweggenommene Erbfolge?
Erbenstreit vermeiden
Die meisten Erbschaftsstreitigkeiten entstehen durch Unklarheiten. Am Bittersten für alle Beteiligten ist es, wenn mehrere Erben sich nicht darüber einig werden können, was der Erblasser gewollt hätte, nachdem dieser verstorben ist.
Dem lässt sich durch eine Aufteilung des Vermögens zu Lebzeiten vorbeugen, da der Erblasser noch da ist, und die Angelegenheit mit allen Beteiligten gemeinsam selbst regeln kann.
Zum richtigen Zeitpunkt vererben
Die Erben können durch eine vorweggenommene Erbfolge zu dem Zeitpunkt auf das Vermögen zugreifen, wenn Sie es brauchen, und nicht erst, wenn der Erblasser gestorben ist. So können Sie mit dem ihnen zugedachten Erbteil beispielsweise Ihre Kinder unterstützen, wenn diese eine Familie gründen oder ein Haus bauen wollen.
Risiko Altersarmut
Eine vorweggenommene Erbfolge ist nur dann sinnvoll und richtig, wenn Sie selbst keinen Schaden dadurch erleiden. Hierzu bedarf es eines guten Überblicks über Ihr Vermögen und einer gewissen Weitsicht in Bezug auf Ihre wirtschaftliche Zukunft. Andernfalls laufen Sie Gefahr, durch unüberlegtes vorzeitiges Abgeben Ihres Vermögens in die Altersarmut zu kommen, denn im Zweifelsfall gilt auch bei freiwilliger Abgabe von Vermögenswerten an nahestehende Personen: Was weg ist, ist weg.
Steuern sparen
Durch lebzeitige Schenkungen können Sie die gesetzlichen Steuerfreibeträge ausnutzen, und Ihren Erben unter Umständen hohe Erbschaftssteuern ersparen.
Kosten
Unter Umständen können durch die vorweggenommene Erbfolge aber auch höhere Kosten entstehen, als durch die normale Erbfolge, insbesondere Grundbuchkosten, wenn es um die Übertragung von Immobilien geht. Dies gilt es im Vorhinein abzuwägen.
Pflichtteilansprüchen entgegenwirken
Durch Schenkungen oder andere lebzeitige Zuwendungen an die von Ihnen ausgewählten Personen, können Sie etwaige Pflichtteilansprüche eines gesetzlichen Erben gering halten, und unter Umständen sogar gänzlich ausschalten. Auf dem Wege der vorweggenommen Erbfolge ist also nicht nur gezieltes Vererben, sondern auch komplettes Enterben möglich.
Verwendung prüfen
Wenn Sie zu Lebzeiten Teile Ihres Vermögens schrittweise abgeben, können Sie prüfen, was Ihre Erben damit machen, und ob sie es für Zwecke verwenden, die Sie gutheißen.
Selbst wenn Sie keinen Einfluss darauf nehmen können, so haben Sie doch die Möglichkeit, Ihre Entscheidung zu überdenken, und eventuell testamentarische Regelungen noch einmal zu ändern.
Kein Einfluss
Sie können zwar beobachten, wie ein Erbe mit dem von Ihnen erhaltenen Erbteil verfährt, Sie haben aber, sofern dies nicht einwandfrei vertraglich geregelt ist, keinerlei Verfügungsgewalt mehr darüber. In dem Moment in dem Sie ein Erbe an den Erben vorzeitig auszahlen, und dieser nichts mehr von Ihnen zu erwarten hat, besitzen Sie keine Einflussmöglichkeiten mehr auf diesen.
Welche Arten der Vorweggenommenen Erbfolge gibt es?
Je nach der Situation in der Sie sich befinden, und dem Verhältnis, in dem Sie zu dem Erben stehen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wie die vorweggenommene Erbfolge rechtlich umgesetzt werden kann. Da dies ein weites Feld ist, werden die Formen der Vorweggenommenen Erbfolge hier nur kurz erklärt. Zur genaueren Auseinandersetzung verweisen wir auf die entsprechenden Unterkapitel von I 2.
Schenkung
Die häufigste Form ist die sogenannte „unentgeltliche Zuwendung“ oder Schenkung. Sie kann, je nachdem, worum es sich bei dem Geschenk handelt, als Handschenkung, also als formlose Übergabe, wie bei Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenken, erfolgen, oder als Vertragsschenkung, etwa, wenn es um eine Immobilie geht. Hierzu ist eine Beurkundung des Schenkungsvertrags durch einen Notar notwendig. Mehr zum Thema Schenkung finden Sie hier.
Ausstattung
Als Ausstattung werden Vermögenswerte bezeichnet, die Eltern Ihrem Kind übertragen, um es bei der selbständigen Lebenshaltung zu unterstützen, etwa in Form einer Mitgift anlässlich der Eheschließung, oder auch in Form einer Rente oder kostenfreiem Wohnraum.
Mehr zum Thema Ausstattung finden Sie hier.
Ehebedingte Zuwendung
Wenn Ehepartner einander (einseitig oder wechselseitig) zum Erhalt, oder der Gestaltung Ihres gemeinsamen ehelichen Lebensstandes Schenkungen machen, spricht man von Ehebedingten Zuwendungen. Diese erfolgen typischerweise in Form von Unterstützungszahlungen für die Altersvorsorge oder Eigentumsanteilen an Grund und Boden. Mehr zum Thema Ehebedingte Zuwendungen erfahren Sie hier.
Wie kann man die Vorweggenommene Erbfolge vertraglich regeln?
Kleinere Schenkungen oder Zuwendungen bedürfen keiner vertraglichen Form. Wenn es jedoch an nennenswerte Geldbeträge oder umfangreichere Besitztümer und deren Übertragung an Ihre Erben geht, ist ein Übergabevertrag das Mittel der Wahl. Es handelt sich dabei um den üblichen Vertrag einer Vermögensübertragung zwischen zwei lebenden Personen. Im Unterschied zu einem Erbvertrag können darin für beide Vertragspartner Bedingungen festgelegt werden, zu deren Einhaltung sich beide mit Vertragsabschluss verpflichten. Daher ist für einen Übergabevertrag die Beratung und Beglaubigung durch einen Notar sinnvoll und, im Falle von Grund- oder Immobilienübertragungen, auch rechtlich erforderlich.
Durch die vertragliche Festlegung von Bedingungen können Sie als Erblasser Sicherheiten für sich selbst schaffen, sodass Sie Ihr Vermögen nicht „blind“ herausgeben müssen. So können Sie beispielsweise, wenn Sie Ihr Haus vererben, sich lebenslanges Wohnrecht darin zusichern lassen, oder, wenn Sie einen Großteil Ihres Vermögens zu Lebzeiten vererben, als Gegenleistung eine Leibrente festlegen, die der Erbe Ihnen zu zahlen hat, um Ihr wirtschaftliches Auskommen zu sichern. Mehr zum Thema Gegenleistungen bei Vorweggenommener Erbfolge erfahren Sie hier.
Welche erbrechtlichen und steuerlichen Auswirkungen hat eine vorweggenommene Erbfolge?
Das Thema Erbrechtliche Folgen und Steuern ist ein weites Feld, und erfordert einiges Vorwissen.
So können Sie beispielsweise vertraglich verfügen, dass eine Schenkung an einen gesetzlichen Erben auf dessen Pflichtteil anzurechnen ist.
Bei einer Schenkung an Dritte (nicht gesetzliche Erben), die eine Verringerung der Erbmasse, und somit auch eine Kürzung der Pflichtteilansprüche Ihrer gesetzlichen Erben bedeutet, können diese unter Umständen gegenüber dem Beschenkten ein Recht auf Ergänzung ihres Pflichtteils geltend machen. Mehr zum Zusammenhang Schenkung und Pflichtteil erfahren Sie hier.
Außerdem sind Schenkungen steuerpflichtig, wobei es zahlreiche Möglichkeiten gibt, diese zu minimieren, etwa durch das Ausschöpfen der gesetzlichen Freibeträge vermittelst frühzeitiger und gestaffelter Schenkungen, und durch das vertragliche Festlegen von Gegenleistungen, die sich steuervergünstigend für den Erben auswirken. Mehr zum Thema Steuer und Freibeträge erfahren Sie hier.
Ist eine Vermögensübertragung auch an Minderjährige möglich?
Zum Abschluss des Überblicks über das Gesamtthema der vorweggenommenen Erbfolge möchten wir noch kurz darauf eingehen, ob bei dieser auch Minderjährige als Erben möglich sind.
Grundsätzlich: Ja. Es gilt dabei jedoch, einiges zu beachten.
- Kinder sind erst ab einem Alter von 7 Jahren (beschränkt) geschäftsfähig. Vorher können Rechtsgeschäfte jeder Art, auch Vermögensübertragungen, nur über Vertreter durchgeführt werden.
- Schenkungen an Kindern können nur vertragswirksam werden, wenn sichergestellt ist, dass sich diese nicht zum rechtlichen Nachteil des Kindes auswirken. So ist zum Beispiel die Schenkung eines Mietshauses an eine minderjährige Person rechtlich vorteilhaft, es sei denn, diese Person wird dadurch automatisch an bestehende Mietverträge gebunden.
- Die Steuerlast bei Schenkungen an Minderjährige ist sehr gering, da diese kein eigenes Einkommen haben, und nicht steuerpflichtig sind.
- Das Übertragen von Vermögenswerten auf die eigenen noch minderjährigen Kinder durch die Eltern ist ein höchst effizientes und immer beliebteres Prinzip, um Steuern zu sparen. Aus diesem Grunde begutachten die Finanzbehörden derartige Vermögensübertragungen mit Argusaugen, da es sich bei solchen familieninternen Vermögensverschiebungen meist nicht um vorgezogene Erb- oder Mitgiftzahlungen handeln dürfte.
Bei einer Schenkung der achtzigjährigen Oma an den sechzehnjährigen Enkel sieht die Sache natürlich anders aus. Um allem Misstrauen vorzubeugen, ist es sinnvoll, die Vermögensübertragung explizit als endgültig, also unwiderruflich, zu deklarieren.
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Über die Autoren
Dr. de Leve & Kersten
Dr. de Leve ist Fachanwalt für Erbrecht und wurde in diesem Bereich als Focus Top Anwalt ausgezeichnet. Rechtsanwalt Florian Kersten verfügt ebenso über eine jahrelange Erfahrung als Anwalt für Erbrecht.
Die Kanzlei "Dr. de Leve & Kersten" befindet sich in Münster (Nordrhein-Westfalen). Von dort aus beraten und vertreten die Anwälte Mandanten bei den Themen Vorsorge, Werterhalt und Wertweitergabe aus ganz Deutschland.