Nehmen wir an, jemand verletzt sich bei einem Autounfall lebensgefährlich und wird mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen. Seine nächsten Angehörigen werden verständigt und eilen herbei. Der Patient ist ansprechbar, liegt aber den Ärzten zufolge bereits im Sterben. Da er seinen frühen Tod nicht ahnen konnte, hat er kein Testament errichtet, möchte jedoch seine Erbfolge noch selbst bestimmen. Was ist zu tun? Der Patient ist nicht mehr in der Lage zu schreiben, es ist Sonntagnacht, und die Wahrscheinlichkeit, dass noch ein Notar herbeizitiert werden kann, bevor es zu spät ist, ist gering. Nach den geltenden gesetzlichen Vorgaben kann also kein wirksames Testament mehr errichtet werden und es wird die gesetzliche Erbfolge gelten. Oder?
Für diesen Fall gibt es die Ausnahmeregelung des Nottestaments. Dieses ist jedoch – vor allem angesichts der Tatsache, dass es für akute Notlagen gedacht ist – eine sehr komplizierte Angelegenheit, mit der man sich befasst haben sollte, bevor der Notfall eintritt.
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// Inhaltsübersicht
- Was ist ein Nottestament?
- Unter welchen Voraussetzungen ist ein Nottestament gültig?
- Wie kann man ein Nottestament errichten?
- Wer kommt als Zeuge infrage?
- Welche Form muss ein Nottestament haben?
- Wie lange ist ein Nottestament gültig?
- Kann man ein Nottestament anfechten?
Was ist ein Nottestament?
Ein Nottestament ist gemäß § 2250 BGB eine Sonderform des Testamentes, die es einer sterbenden Person ermöglicht, eine gültige letztwillige Verfügung zu errichten oder zu ändern, wenn die sonst herrschenden formellen Voraussetzungen für ein gültiges Testament nicht mehr erfüllt werden können.
Nur wenn eine normale Testamentserrichtung definitiv unmöglich ist, nämlich dann, wenn eine Person sich tatsächlich in akuter Lebensgefahr befindet, kein handschriftliches Testament mehr aufsetzen kann, und es unmöglich ist, einen Notar hinzuzuziehen, darf auf ein Nottestament zurückgegriffen werden.
Unter welchen Voraussetzungen ist ein Nottestament gültig?
Dafür, dass ein Nottestament nur in einer akuten Notlage und unter Zeitdruck aufgesetzt werden kann, sind die Vorgaben dafür ziemlich streng und kompliziert. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um ein gültiges Nottestament errichten zu können:
- Der Betreffende befindet sich in akuter Lebensgefahr.
Dies ist idealerweise durch eine ärztliche Diagnose sicher zu stellen. - Der Betreffende ist testierfähig.
Das bedeutet, er oder sie ist bei Bewusstsein, bei klarem Verstand, und in der Lage, sich mitzuteilen. - Der Betreffende ist nicht in der Lage, eigenhändig ein Testament zu schreiben.
Solange ein Mensch einen Stift halten und lesbare Zeilen zu Papier bringen kann, muss er ein normales handschriftliches Testament errichten. - Es sind drei Zeugen anwesend,
denen der Erblasser seinen letzten Willen mitteilt, und die diesen schriftlich festhalten. Es müssen insgesamt vier Personen an der Errichtung des Nottestaments beteiligt sein, und nicht jede Person ist als Zeuge zulässig. - Es kann kein Notar hinzugezogen werden.
Wenn eine Chance besteht, einen Notar aus dem Bett zu klingeln, der vor Eintritt des Todes des Betreffenden vor Ort sein könnte, darf kein Nottestament errichtet werden.
Wie kann man ein Nottestament errichten?
Gemäß § 2250 BGB kann ein Nottestament errichtet werden, wenn (abgesehen vom Erblasser) drei Zeugen anwesend sind. Der Sterbende teilt diesen drei Zeugen mündlich seinen Willen mit, und einer der Zeugen protokolliert das Gesagte. Ist das Testament fertig diktiert, muss es noch einmal verlesen, vom Testanten bestätigt, und dann von allen Anwesenden unterschrieben werden. Kann der Testant nicht mehr unterschreiben, ist das Nottestament auch ohne dessen Unterschrift gültig, sofern im Testament explizit vermerkt ist, dass der Testant nicht mehr selbst unterschreiben kann.
Gemäß § 2251 kann nach diesem Prinzip ein Nottestament auch als sogenanntes „Seetestament“ errichtet werden, wenn die Personen sich an Bord eines Schiffes unter deutscher Flagge außerhalb eines deutschen Hafens auf See befinden.
Wer kommt als Zeuge infrage?
Die Zeugen müssen volljährig sein, und dürfen miteinander nicht direkt verwandt sein. Außerdem sind die Ehepartner des Erblassers und die durch das Nottestament begünstigten Erben als Zeugen unzulässig. Das bedeutet in der Praxis, dass so ziemlich alle Personen, die sonntagnachts an das Sterbelager eines Verunfallten eilen, als Zeugen ausscheiden. Es muss also auf unbekannte, unbeteiligte Personen wie Ärzte oder Krankenschwestern zurückgegriffen werden, sofern diese nicht mit dem Erblasser gut bekannt sind und potentiell testamentarisch von diesem begünstigt sein könnten.
Gemäß § 2249 BGB kann ein Nottestament auch in Anwesenheit von zwei Zeugen und dem zuständigen Bürgermeister errichtet werden. Der Bürgermeister ist dann verpflichtet, sich davon zu überzeugen, dass die Voraussetzungen für ein Nottestament tatsächlich vorliegen, und haftet mit seiner Unterschrift.
Welche Form muss ein Nottestament haben?
Über die strengen Voraussetzungen hinaus ist ein Nottestament nur gültig, wenn es die für ein Testament obligaten Formvorgaben erfüllt: Das Nottestament muss als handgeschriebenes Dokument vorliegen. Die Erklärungen des Erblassers müssen klar verständlich abgefasst, sinnvoll strukturiert und inhaltlich widerspruchsfrei und umsetzbar sein. Um dies sicher zu stellen, ist das Testament nach seiner Abfassung noch einmal zu verlesen und vom Erblasser zu bestätigen. Das Testament muss die Personalia aller Anwesenden enthalten, und das Vorhandensein aller nötigen Voraussetzungen zur Errichtung eines Nottestamentes muss explizit vermerkt sein. Dies gilt insbesondere für die Testierfähigkeit des Erblassers.
Wie lange ist ein Nottestament gültig?
Die Errichtung eines Nottestamentes ist ein regelrechter Seiltanz.
Der Gesetzgeber stellt sich das Ganze offenbar so vor, dass ein Mensch sich in ärztlich bestätigter akuter Lebensgefahr befindet, die Angehörigen jedoch zur Wahrung der Form zunächst einmal alle möglichen Eventualitäten bedenken, und erst in letzter Minute unter sorgfältigster Einhaltung aller juristischen Regeln das Nottestament errichtet wird, und der Erblasser bitte erst nach erneuter Verlesung und Bestätigung des Dokumentes schließlich verstirbt. Sofern sich dann nicht herausstellt, dass sich irgendwo im Krankenhaus zufällig ein Notar aufgehalten hat, ist das Nottestament gottlob dauerhaft wirksam und gilt als Ersatz für ein reguläres Testament.
Wenn all dies zur vollsten Zufriedenheit des Gesetzgebers vonstattengegangen ist, nur der Tod des Patienten ausbleibt, und dieser etwa stattdessen in ein Koma fällt, droht das Nottestament ungültig zu werden: Entweder der Gesetzgeber stellt im Nachhinein fest, dass zum Zeitpunkt der Errichtung des Nottestamentes die Todesgefahr ja doch so akut nicht gewesen sein kann, oder aber, wenn es dem Erblasser einfällt, noch drei Monate zu leben, verfällt das Nottestament nach § 2252 BGB.
Für den Fall, dass die Notlage, für die das Nottestament eigentlich erfunden worden ist, sich nicht nach den Idealvorstellungen des Gesetzgebers abgespielt haben sollte, empfiehlt sich zur Durchsetzung eines Nottestamentes der Gang zum Anwalt.
Kann man ein Nottestament anfechten?
Wenn ein Erbe – oder irgend eine andere Person – Zweifel am Inhalt, der Echtheit oder der Einhaltung der Formvorgaben eines Nottestamentes hat, kann dieses innerhalb eines Jahres nach Testamentseröffnung angefochten werden. Hierfür muss beim zuständigen Gericht eine begründete Klage eingereicht werden. Mögliche Begründungen sind etwa Irrtum des Erblassers, Täuschung, Fälschung des Testamentes, oder Nichteinhaltung einer der zahlreichen Vorgaben.
Die Beweislast liegt beim Kläger. Daher empfiehlt es sich, auch zur Einreichung einer Anfechtungsklage unbedingt einen Fachanwalt für Erbrecht zu konsultieren.
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Über die Autoren
Dr. de Leve & Kersten
Dr. de Leve ist Fachanwalt für Erbrecht und wurde in diesem Bereich als Focus Top Anwalt ausgezeichnet. Rechtsanwalt Florian Kersten verfügt ebenso über eine jahrelange Erfahrung als Anwalt für Erbrecht.
Die Kanzlei "Dr. de Leve & Kersten" befindet sich in Münster (Nordrhein-Westfalen). Von dort aus beraten und vertreten die Anwälte Mandanten bei den Themen Vorsorge, Werterhalt und Wertweitergabe aus ganz Deutschland.