Ein wirksames Testament kann nur von jemandem verfasst werden, der testierfähig ist. Ein Testament kann auch im Nachhinein noch angefochten werden, wenn die Testierfähigkeit des Verfassers bezweifelt werden muss. Aber was heißt das und wer entscheidet, ob jemand testierfähig ist?
Grundsätzliche Informationen zur Testierfähigkeit haben wir in diesem Rechtstipp für Sie zusammengefasst. Für eine individuelle Beratung zum Thema, freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme!
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// Inhaltsübersicht
- Was heißt Testierfähigkeit?
- Was heißt beschränkte Testierfähigkeit?
- Wann besteht keine Testierfähigkeit?
- Wie wird Testierfähigkeit geprüft?
- Was ist, wenn ein Testament wegen Testierunfähigkeit ungültig ist?
War heißt „Testierfähigkeit“?
Testierfähigkeit bedeutet, dass man im juristischen Sinne fähig ist, ein Testament zu errichten. Voraussetzung hierfür ist, dass man eine rechtskräftige Unterschrift leisten kann, dass man mündig und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, um die für die Errichtung eines Testamentes nötigen Überlegungen anstellen zu können und sich der durch die eigenen Entscheidungen verursachten Konsequenzen voll bewusst ist.
Man gilt grundsätzlich als testierfähig, wenn man volljährig, bei klarem Verstand und geistig gesund ist. Dann hat man automatisch auch Testierfreiheit, was bedeutet, dass man sein Testament inhaltlich im Rahmen der geltenden Gesetze so gestalten kann, wie man will.
Wenn man nicht testierfähig ist, und ein Testament errichtet, ist dieses nicht wirksam.
Was heißt „beschränkte Testierfähigkeit“?
Zunächst sei geklärt, was „beschränkte Testierfähigkeit“ nicht heißt: Es geht hierbei nicht darum, dass jemand in seiner Testierfähigkeit „nur ein bisschen“ eingeschränkt, oder (etwa durch Drogenkonsum) nur vorübergehend eingeschränkt ist, sodass womöglich eine Passage seines Testamentes gültig und eine Andere ungültig wäre.
Derartige Grauzonen kennt das Gesetz nicht!
„Beschränkt testierfähig“ sind Jugendliche ab 16, wenn diese vor ihrem 18. Geburtstag ein Testament errichten wollen. Dieses kann Gültigkeit (nur) durch eine notarielle Beglaubigung erhalten. Die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter (Eltern) ist nicht erforderlich.
Wann besteht keine Testierfähigkeit?
Die Testierfähigkeit ist nach § 2229 BGB nicht gegeben, wenn eine Person
„wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“
Dies kann dauerhaft oder vorübergehend aus den verschiedensten Gründen der Fall sein.
Eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit kann etwa durch verschiedene Formen der Demenz ausgelöst werden. Dies kann bedeuten, dass eine Person sechzig Jahre lang testierfähig ist, und dann die Testierfähigkeit krankheitsbedingt verliert. Vor der Feststellung der geistigen Erkrankung errichtete letztwillige Verfügungen behalten also ihre Rechtsgültigkeit. Die Feststellung der Testierfähigkeit in Demenzfällen ist außerordentlich schwierig, da nicht nur ein klarer Zeitpunkt der Testierunfähigkeit schwer zu benennen ist, sondern die Krankheit auch bekannt dafür ist, phasenweise zu verlaufen, sodass es durchaus sein kann, dass eine seit langem an schwerer Demenz leidende Person in einem „wachen Moment“ kurzzeitig wieder testierfähig ist. Ein in einem solchen Zeitraum errichtetes Testament ist dann gültig!
Spezielle Informationen zur Testierfähigkeit bei Demenz
Geistesschwäche kann als angeborene schwere geistige Behinderung eine Testierfähigkeit von vornherein ausschließen. Allerdings bedeutet das nicht, dass jede Person mit ärztlich festgestellter geistiger Behinderung automatisch testierunfähig sein muss. Menschen mit leichter geistiger Behinderung, die unter Umständen einer Betreuung bedürfen, können trotzdem notarielle Testamente errichten, wenn sicher ist, dass Ihnen die Tragweite ihrer Entscheidungen klar ist.
Das Errichten eines Testamentes darf jedoch nicht von einem Betreuer übernommen werden.
Der Begriff Bewusstseinsstörung lässt sich auf Ohnmacht, Koma, aber auch auf alkohol- oder medikamentenbedingte Rauschzustände anwenden. Dass eine bewusstlose Person kein Testament errichten kann, versteht sich von selbst, aber etwa bei vorübergehenden medikamentös verursachten Trübungen des Bewusstseins ist die Differenzierung von Testierfähigkeit und -unfähigkeit oft sehr schwierig.
Weitere mögliche Ursachen für Testierunfähigkeit sind:
- Amnesie durch Alkoholsucht
- Wahnvorstellungen aufgrund von Schizophrenie
- Epilepsie- oder schlaganfallbedingte Störungen der Hirnfunktion
- Manische Depression durch Bipolare Persönlichkeitsstörung
- u.v.m.
Übrigens sind Menschen, die nicht lesen und schreiben und nicht sprechen können, deshalb nicht testierunfähig!
Sofern sie volljährig und bei klarem Verstand sind, können sie beispielsweise mittels Gebärdensprache einem Notar ein Testament diktieren.
Grundsätzlich gilt, dass bei Personen ab 18 die Testierfähigkeit angenommen wird. Eine Testierunfähigkeit muss im Einzelfall bewiesen werden.
Wie wird Testierfähigkeit geprüft?
Die Testierfähigkeit kann vor oder nach der Errichtung eines Testamentes geprüft werden:
Bei Menschen mit angeborener schwerer geistiger Behinderung stellt sich die Frage nach der Testierfähigkeit oftmals gar nicht. Wenn eine Person den Wunsch zur Errichtung eines Testamentes äußert, und die Testierfähigkeit ist zweifelhaft, muss eine Testierunfähigkeit gegebenenfalls durch einen Arzt (Psychiater) festgestellt werden. Der Hausarzt ist hierfür nicht qualifiziert. Ein medizinisches Gutachten über die Testierfähigkeit einer Person kann, je nach Einzelfall, eine momentane oder dauerhafte Testierunfähigkeit bescheinigen. Letztendlich entscheidet das zuständige Nachlassgericht, basierend auf dem medizinischen Gutachten, über die Testierfähigkeit. Lediglich per Gerichtsbeschluss einer Person auf Lebenszeit die Testierfähigkeit abzuerkennen ist allerdings nicht möglich.
Wenn man sich zur Errichtung eines Testamentes an einen Notar wendet, ist dieser dazu verpflichtet, wenigstens nach Augenschein im Gespräch die Testierfähigkeit seines Gegenübers zu prüfen, und bei Unsicherheit medizinische Hilfe hinzuzuziehen.
Verfasst man jedoch per Hand bei sich zuhause ein privatschriftliches Testament, bleibt die Prüfung der Testierfähigkeit in aller Regel aus.
In der Mehrheit der Fälle wird die Testierfähigkeit eines Erblassers erst bei Testamentseröffnung durch die Erben in Zweifel gezogen. Dann wird die Angelegenheit enorm dadurch verkompliziert, dass der Erblasser nicht mehr lebt. Das Gericht bestellt hierfür einen Sachverständigen, der Einsicht in die Krankenakte des Verstorbenen nimmt, und möglichst viele Zeugen befragt, um zu einer Aussage über die Testierfähigkeit des Erblassers zu gelangen.
Was ist, wenn ein Testament wegen Testierunfähigkeit ungültig ist?
Wenn die Testierfähigkeit des Erblassers im Erbfall nicht als gegeben betrachtet werden kann, kann das Testament binnen eines Jahres angefochten werden. Wie bereits erwähnt, liegt die Beweislast hier beim Kläger, das heißt: Wenn ein Erbe behauptet, der Erblasser sei testierunfähig gewesen, muss der Erbe dies beweisen.
Falls die Klage Erfolg hat, gilt das Testament als ungültig. Sodann greift entweder die nächste (ältere) Fassung des Testamentes, oder, wenn keine weitere letztwillige Verfügung des Erblassers vorliegt, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft.
Wenn Sie ein Testament wegen Demenz anfechten wollen, handeln Sie schnell!
Sobald der Erbschein ausgestellt ist, hat der testamentarisch eingesetzte Erbe Zugriff auf die Erbschaft. Von der Anfechtungserklärung bis zur offiziellen Ungültigkeit des Testamentes können Jahre vergehen. Es ist ratsam, sich um Unterstützung an einen Fachanwalt für Erbrecht zu wenden, der mit Ihnen die Anfechtungserklärung formulieren und ein Gutachten in Auftrag geben kann.
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Über die Autoren
Dr. de Leve & Kersten
Dr. de Leve ist Fachanwalt für Erbrecht und wurde in diesem Bereich als Focus Top Anwalt ausgezeichnet. Rechtsanwalt Florian Kersten verfügt ebenso über eine jahrelange Erfahrung als Anwalt für Erbrecht.
Die Kanzlei "Dr. de Leve & Kersten" befindet sich in Münster (Nordrhein-Westfalen). Von dort aus beraten und vertreten die Anwälte Mandanten bei den Themen Vorsorge, Werterhalt und Wertweitergabe aus ganz Deutschland.