Streitigkeiten unter Erben sind leider eher die Regel als die Ausnahme. Die Zahl der möglichen Gründe ist endlos. Es gibt vermutlich keine denkbare Konstellation im Erbfall, durch die ein Streit zuverlässig vermieden werden kann, denn, selbst wenn der Erblasser seinen gesamten Nachlass einem Alleinerben zuspricht, existieren eigentlich immer mehrere (gesetzliche) Erben, die sich benachteiligt fühlen können.
Allerdings kann man einige vorbeugende Maßnahmen treffen. Hierüber sollte man unbedingt frühzeitig nachdenken, da wohl nichts so tiefe Risse und unheilbare Wunden innerhalb einer Familie erzeugen kann, wie ein ausgewachsener Krieg ums Erbe.
Im folgenden Rechtstipp möchten wir Ihnen die gängigsten Szenarien und Gründe für Erbstreitigkeiten vorstellen und wie man diese von vornherein vermeiden oder im Ernstfall lösen kann.
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// Inhaltsübersicht
- Was sind die häufigsten Ursachen für Erbstreitigkeiten?
- Wie lange können Erbstreitigkeiten dauern?
- Was können Erbstreitigkeiten kosten?
- Wie kann man als Erblasser Erbstreitigkeiten vorbeugen?
- Welche Lösungen für Erbstreitigkeiten gibt es?
Was sind die häufigsten Ursachen für Erbstreitigkeiten?
Die möglichen Gründe für Streit zwischen den Erben sind, wie gesagt, zahllos. Es gibt jedoch einige „Klassiker“, die sich dadurch auszeichnen, wie häufig sie auftreten, und wie vermeidbar sie eigentlich sind. Wir wollen diese Klassiker des Erbenstreits im Folgenden einmal betrachten und daraufhin betrachten, wie man sie lösen und ob man sie verhindern kann.
Ursache: Kein Testament
Wenn der Erblasser kein Testament verfasst hat (oder es so gut versteckt hat, dass niemand es findet), tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Das bedeutet, dass alle nahen Angehörigen des Verstorbenen eine Erbengemeinschaft bilden. Hier sitzen dann unter Umständen Menschen an einem Tisch, die einander so gut wie gar nicht kennen, oder seit Jahren verfeindet sind, oder schlicht dem anderen das Recht auf eine Miterbschaft aus mannigfaltigen Gründen absprechen. Je größer die Erbengemeinschaft und je umfangreicher der Nachlass, umso komplizierter wird die Erbauseinandersetzung, und Streitigkeiten sind praktisch unvermeidbar.
Ursache: Enterbungen und Pflichtteilsansprüche
Der Komplex Pflichtteil birgt gleich mehrere Streitrisiken:
Wenn der Erblasser (entweder durch expliziten Ausschluss vom Erbe oder durch Nicht-Erwähnung) in seinem Testament einen seiner gesetzlichen Erben enterbt, bleibt diesem ein gesetzlicher Pflichtteilsanspruch, der die Hälfte seines theoretischen gesetzlichen Erbteils umfasst. Diesen Anspruch kann der Enterbte aber nur gegenüber dem begünstigten Erben geltend machen. Je nach Art und Umfang des Nachlasses kann dies – von der gespannten Stimmung zwischen Erben und Enterbtem ganz abgesehen – zu großen Schwierigkeiten führen, etwa, wenn der Erbe, um dem Pflichtteilsberechtigten seinen Pflichtteil zahlen zu können, die Immobilie verkaufen müsste, die er geerbt hat.
Der zweite Konfliktherd im Zusammenhang mit dem Pflichtteil kommt zum Tragen, wenn ein Erbe innerhalb einer Erbengemeinschaft sein Erbe ausbezahlt haben will, oder die Erbschaft ausschlägt, um anschließend bei den übrigen Erben seinen Pflichtteil zu fordern.
Die dritte Möglichkeit, wie der Pflichtteil einen Keil zwischen die Erben trieben kann, ergibt sich, wenn der Erblasser vor seinem Tod an einen oder mehrere seiner Erben umfangreiche Schenkungen gemacht hat, um, wie es so schön heißt, seinen Nachlass „mit warmen Händen“ zu verteilen. Schenkungen schmälern den Nachlass, und bewirken somit geringere Erbquoten und geringere Pflichtteile im Erbfall. Ist eine Schenkung jedoch weniger als 10 Jahre vor dem Erbfall getätigt worden, so besitzen die Pflichtteilsberechtigten einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch!
Der Pflichtteilsberechtigte Erbe, der keine Schenkung erhalten hat und dessen Erbanteil jetzt geschrumpft ist, fühlt sich natürlich übergangen. Aus der Sicht der Beschenkten wiederum ist es ungeheuerlich, dass jemand, dem der Erblasser vielleicht aus guten Gründen nichts zugesprochen hat, nach dessen Tod mit Forderungen nach Ausgleichszahlungen um die Ecke kommt. Selten geht so etwas friedlich über die Bühne.
Ursache: Streit um Immobilien
Immobilien und Grundstücke besitzen die Eigenschaft, einerseits schwer teilbar zu sein, und andererseits einen hohen Gegenwert in Geld darzustellen.
Das Elternhaus ist im Erbfall das heißeste aller Eisen. Der eine bekommt es, der Andere will es, des Einen ganzes Herz hängt daran, der Andere kann nicht erwarten, es zu Geld zu machen. Wenn hier ein Streit entbrennt, ist oft auf Jahre keine Einigung in Sicht. Nicht selten steht am Ende die Zwangsversteigerung.
Ursache: Formfehler im Testament
Vielleicht die ärgerlichste Ursache für Erbstreitigkeiten sind Formfehler im Testament. Denn die Formvorschriften für das Verfassen eines rechtsgültigen Testamentes sind eigentlich ganz klar und simpel. Ist jedoch ein vorliegendes Testament aus formellen Gründen unwirksam stehen die Erben in der undankbaren Lage, eine Erbauseinandersetzung nach gesetzlicher Erbfolge durchführen zu müssen, obwohl sie den (anders lautenden) Willen des Erblassers kennen.
Wie lange können Erbstreitigkeiten dauern?
Ein Erbenstreit entbrennt zumeist um bestimmte Entscheidungen im Rahmen der Erbauseinandersetzung, und bringt, solange er dauert, die gesamte Aufteilung des Erbes ins Stocken. Es greifen innerhalb der Erbauseinandersetzung keine gesetzlichen Automatismen, die diesen Knoten zerschlagen könnten. Somit können Erbstreitigkeiten mehrere Jahre dauern, und für diese Dauer das Fortkommen er Erbauseinandersetzung lahmlegen. Aus diesem Grund tragen viele Erben, sobald sie einen Stillstand der Erbauseinandersetzung kommen sehen, ihren Streit sogleich vor Gericht, um die Lösung mit der Brechstange zu erwirken. Dies vielfach auch in der Hoffnung, damit eine Kostenexplosion zu verhindern.
Was können Erbstreitigkeiten kosten?
Da ein Erbstreit den Stillstand der Erbauseinandersetzung bedeutet, kann er, - allein dadurch, dass wichtige Angelegenheiten, wie etwa die Nutzung einer Immobilie, in der Luft hängen bleiben, - enorme Kosten verursachen. Um dem vorzubeugen, beschreiten viele Erben frühzeitig den Weg der gerichtlichen Klage. Doch natürlich ist auch ein Gerichtsverfahren nicht gratis, schon gar nicht, wenn beide Parteien nicht nachgeben wollen, und ihre Sache notfalls durch alle Instanzen schleppen. Durch Anwalts- und Gutachterkosten allein können dabei hohe vierstellige Beträge zusammenkommen. Verfahrenskosten sind dabei noch nicht mitgerechnet. Tragen muss diese Kosten immer der Verlierer des Verfahrens.
Mancher Erbenstreit wurde so lange und kostenintensiv geführt, bis der gesamte Nachlass, um den es ursprünglich ging, aufgezehrt war. Am Ende drängt sich die Frage auf, was der Erblasser wohl dazu gesagt hätte. Manches Mal allerdings hat der Erblasser selbst durch seine Entscheidungen den Streit vorprogrammiert.
Wie kann man als Erblasser Erbstreitigkeiten vorbeugen?
Es gibt, wie gesagt, kein Patentrezept gegen Erbstreitigkeiten. Dies erkennt man eindrucksvoll daran, dass sowohl die gesetzliche Erbfolge als auch die gewillkürte Erbfolge (etwa durch Testament) einen der oben beschriebenen Erbstreits-Klassiker auslösen kann:
Ohne ein Testament greift die gesetzliche Erbfolge, und eine Erbengemeinschaft muss gebildet werden, die den Nachlass gemeinsam verwalten und das Erbe aufteilen muss. Besitzansprüche, Unteilbarkeiten, persönliche Animositäten und vieles mehr können diesen Prozess für alle Beteiligten zum Spießrutenlauf machen.
Mit einem Testament und einer durch den Erblasser selbst bestimmten Erbaufteilung droht der Aufstand der (vermeintlich) zu kurz gekommenen, Enterbten und Ãœbergangenen.
Das Problemfeld Immobilie ist bei beiden Erbfolgemöglichkeiten enthalten.
Wieviel Konfliktpotential in einem Erbfall steckt, hängt natürlich nicht bloß vom Erblasser und dessen Entscheidungen ab, sondern vor allem von den Persönlichkeiten und Beziehungen der Erben. Um jedoch nicht unbedingt einen vermeidbaren Streit zu verursachen, beachten Sie als Erblasser unbedingt die folgenden Punkte:
- Errichten Sie ein Testament, und achten Sie darauf, dass dieses formal gültig und inhaltlich absolut unmissverständlich ist! Lassen Sie sich am besten durch einen Fachanwalt für Erbrecht beraten, und/oder das Testament vom Notar beglaubigen. Auf diese Weise können Sie das Konfliktpotential der gesetzlichen Erbfolge, sowie eines leider ungültigen Testamentes ausschließen.
- Alternativ zum Testament können Sie Ihre Erbfolge auch durch Erbvertrag regeln. Der Unterschied zum Testament besteht darin, dass ein Erbvertrag eine wechselseitige, gemeinsam ausgehandelte Übereinkunft darstellt, statt einer einseitig gegebenen Verfügung.
- Überlegen Sie genau, wer was aus Ihrem Nachlass erhalten, und wie dieser damit verfahren soll. Sie kennen Ihren Ehepartner, Ihre Kinder und engsten Freunde gut genug, um sie sich am runden Tisch der Erbauseinandersetzung vorzustellen. Es liegt in Ihrer Hand, notorische Störenfriede und absehbare Zankäpfel von diesem Tisch fernzuhalten. Wenn ein naher Angehöriger Sie nicht beerben soll, enterben Sie Ihn explizit, berücksichtigen Sie dabei jedoch unbedingt die Pflichtteilsansprüche, die er/sie geltend machen kann. Unter besonderen Umständen können Sie auch einem Erben den Pflichtteilsanspruch entziehen, oder im Vorhinein einen Pflichtteilsverzicht gegen Ausgleichszahlung vereinbaren. Wenden Sie sich dazu an einen Anwalt!
- Es ist aus vielerlei Gründen sinnvoll, die vorzeitige Erbfolge zu nutzen, indem Sie Teile Ihres Nachlasses als Ausstattung oder Schenkung verteilen. Hierdurch können Sie nicht nur selbst Sorge tragen, dass alles so vonstattengeht, wie Sie es sich wünschen, Sie können auch Ihren Nachlass und damit eventuelle spätere Pflichtteilsansprüche von jemandem, den Sie enterben möchten, auf ein Minimum reduzieren. Beachten Sie bei Schenkungen jedoch unbedingt die gesetzlichen Freibeträge, und die Zehn-Jahres-Frist des Pflichtteilsergänzungsanspruches!
- Um sicher zu gehen, dass die Erben in der Umsetzung Ihres letzten Willens nicht sich selbst überlassen sind und sich womöglich endlos in den Haaren liegen, können Sie eine Testamentsvollstreckung anordnen. Ein Testamentsvollstrecker ist für die Durchsetzung Ihres Willens verantwortlich und kann verhindern, dass es bei der Erbauseinandersetzung zu langem Hin und Her, oder gar zu Streitigkeiten kommt, die den Nachlass und den Frieden in der Familie gefährden.
Durch diese (eine oder mehrere) Maßnahmen kann der Erblasser zwar nicht jeden Konflikt ausschließen, aber doch einiges tun, um das Risiko eines ausgewachsenen Erbenstreites zu minimieren, und sicher zu stellen, dass der Prozess der Erbübertragung in geregelten Bahnen verläuft.
All diese Ratschläge an den Erblasser sind allerdings wertlos, wenn der Erblasser gestorben, der Erbfall eingetreten und der Erbstreit bereits ausgebrochen ist. Was also kann Erben geraten werden, die sich, aus welchen Gründen auch immer, in einer der oben geschilderten misslichen Situationen befinden?
Welche Lösungen für Erbstreitigkeiten gibt es?
Gerne wollen wir Ihnen verschiedene Lösungen bei Erbstreitigkeiten aufzählen:
- Wenn es um einzelne Punkte innerhalb einer umfangreicheren Erbauseinandersetzung geht, versuchen Sie, es nicht auf eine Verhärtung breiterer Fronten anzulegen. Über einzelne Punkte kann diskutiert werden, und möglicherweise ist es unumgänglich, dass der Eine hier und der Andere dort Zugeständnisse machen und zähneknirschend einen Kompromiss akzeptieren muss.
Das Wichtigste ist, dass Sie nicht aufhören, miteinander zu reden und nach einer Lösung zu suchen! Wenn Sie sich in einem Streit um ein Detail festbeißen, riskieren Sie, die gesamte Erbaufteilung auf dem Klageweg durchpeitschen zu müssen, und dabei viel Geld und Nerven zu verlieren. - Wenn Sie in einer Erbengemeinschaft „festhängen“ fokussieren Sie sich darauf, den Nachlass teilungsreif zu machen. Das bedeutet, dass der Nachlass nicht mehr durch Verbindlichkeiten beschwert, und nicht durch sperrige Nachlassbestandteile wie Immobilien unteilbar sein darf. Wenn der Nachlass teilungsreif ist, kann die Erbengemeinschaft aufgelöst werden, und alle Miterben erhalten ihr Teil und ihren Frieden. Wenn ein Erbe sich gegen die Auflösung querstellt, kann die Erbengemeinschaft ihn unter Umständen dadurch loswerden, dass sie ihn ausbezahlt, bzw. sein Erbteil kauft.
- Wenn es in einer Erbengemeinschaft nicht mehr voran geht und Sie nichts anderes wollen, als ihren Anteil und ihre Ruhe zu haben, können Sie Ihr Erbteil verkaufen, und mit dem Erlös in der Tasche aus der Erbengemeinschaft ausscheiden. Entweder Sie verkaufen an einen Ihrer Miterben, anteilig an Alle, oder an jemand Außenstehenden. Aber Achtung: Miterben haben Vorkaufsrecht.
- Es gibt Möglichkeiten, auch wenn kein Testamentsvollstrecker eingesetzt wurde, sich in einem verfahrenen Erbstreit Hilfe von außen zu holen:
- Mediation:
Mediatoren sind speziell ausgebildete Streitschlichter für verfahrene Situationen, wie Sie im Scheidungs- oder Erbfall häufig auftreten können. Durch Hinzuziehen eines Mediators können Sie vermeiden vor Gericht zu ziehen, einen endlosen Prozess zu führen, unnötig Porzellan zu zerschlagen, und sich in unkalkulierbare Kosten zu stürzen. Wir bieten Mediation im Erbrecht und Scheidungsrecht an und beraten Sie gerne dazu. - Schiedsverfahren
Ähnlich wie eine Mediation ist auch ein Schiedsverfahren darauf ausgelegt, sich außergerichtlich zu einigen. Der Unterschied liegt darin, dass ein Mediator nur Streitpunkte auflösen soll, sodass Sie selbst eine Lösung finden, während am Ende eines Schiedsverfahrens die Lösung durch einen (rechtlich für alle verbindlichen) Schiedsspruch erfolgt. - Wenn alles andere nichts nützt, bleibt als Ultima Ratio leider nur noch der Gang vor Gericht. Zumeist endet dieser (abgesehen von massivem Geld- Zeit- und Nervenabrieb) mit einer richterlich angeordneten Lösung, mit der niemand zufrieden ist, und die zumeist so aussieht, dass schlicht und einfach der gesamte Nachlass auf dem Wege der Zwangsversteigerung verflüssigt und zu gleichen Teilen auf alle Miterben aufgeteilt wird.
Anwaltliche Beratung zur Vorkehrung gegen oder Lösung von Erbstreitigkeiten
Als Anwälte und Fachanwälte für Erbrecht sind wir auf die Schwierigkeiten und Optionen bei der Erbauseinandersetzung spezialisiert und verfügen über reiche Erfahrungen auf diesem Gebiet.
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Über die Autoren
Dr. de Leve & Kersten
Dr. de Leve ist Fachanwalt für Erbrecht und wurde in diesem Bereich als Focus Top Anwalt ausgezeichnet. Rechtsanwalt Florian Kersten verfügt ebenso über eine jahrelange Erfahrung als Anwalt für Erbrecht.
Die Kanzlei "Dr. de Leve & Kersten" befindet sich in Münster (Nordrhein-Westfalen). Von dort aus beraten und vertreten die Anwälte Mandanten bei den Themen Vorsorge, Werterhalt und Wertweitergabe aus ganz Deutschland.