Seit 1. Januar 2023 ist das neue Notvertretungsrecht für Ehepartner in Kraft. Im folgenden Rechtstipp möchten wir in aller Kürze erklären, worum es dabei geht, welche Neuerung es nun gibt, und was das konkret für die eigene Vorsorge bedeutet.
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// Inhaltsübersicht
- Worum geht es bei der Gesetzesneuerung um das Notvertretungsrecht?
- Was bedeutet „Notvertretungsrecht“?
- Wie genau funktioniert das Notvertretungsrecht für Ehepartner?
- Unter welchen Voraussetzungen gilt das Notvertretungsrecht?
- Wie und ab wann kann man das Notvertretungsrecht wahrnehmen?
- Wann kann das Notvertretungsrecht ausgeschlossen werden?
- Sollte man trotz Notvertretungsrecht eine Vorsorgevollmacht erteilen?
Worum geht es bei der Gesetzesneuerung um das Notvertretungsrecht?
Beim neuen Notvertretungsrecht geht es darum, Vorsorge zu treffen für den Fall, dass man im hohen Alter, bzw. infolge von Verletzung oder schwerer Krankheit nicht in der Lage sein sollte, sich um die eigenen Belange zu kümmern, und wichtige Entscheidungen selbst zu treffen. Viele Menschen, die sich mit der Frage beschäftigen, wer in einer solchen Situation mit der Aufgabe betraut werden könnte, für sie zu sprechen und zu handeln, errichten dafür eine sogenannte Vorsorgevollmacht, in der sie eine Person ihrer Wahl zur Vertretung ihrer Interessen bevollmächtigen. Hierbei geht es einerseits um Geldangelegenheiten (Finanzierung von Pflegediensten, Regelung der Wohnungs- und Rentenkosten usw.), aber auch um persönliche Dinge, wie beispielsweise die Entscheidung, wo man im schweren Krankheitsfall untergebracht sein möchte, wie eine notwendige Betreuung geregelt werden soll und wer diese übernimmt, ob man unter bestimmten Umständen Maßnahmen der Sterbehilfe wünscht, u.v.m. Wie weitreichend die Befugnisse in der Vorsorgevollmacht sind, entscheidet der Vollmachtgeber ganz individuell. Die Sensibilität des Themas und die möglicherweise sehr weitreichenden Auswirkungen der darin festgehaltenen Entscheidungen erfordern große Sorgfalt.
Die meisten Menschen treffen eine solche Vorsorge jedoch nicht, da sie glauben, dass ihr Ehepartner automatisch ermächtigt sei, im Notfall ihre Interessen zu vertreten. Dafür gab es jedoch bis 2022 keinerlei Rechtsgrundlage. Das soll sich nun ändern.
Was bedeutet „Notvertretungsrecht“?
Unter „Notvertretungsrecht“ versteht man die gesetzliche Ermächtigung, in einem Notfall, durch den eine Person verhindert ist, ihre Interessen wahrzunehmen und eigene Entscheidungen zu treffen und zu kommunizieren, diese Person vorübergehend zu vertreten. Ein solches Recht konnte bislang auf individuellen Wunsch hin durch Erteilung einer schriftlichen Vollmacht vereinbart werden. Nun wird es für die Ehepartner automatisch unter § 1358 BGB im Gesetz verankert.
Wie genau funktioniert das Notvertretungsrecht für Ehepartner?
Ab 1.1.2023 gilt nun, dass in gesundheitlichen Notfällen (Schwere Krankheit, Demenz, Koma, etc.) Ihr Ehepartner für eine Frist von sechs Monaten automatisch berechtigt ist, die Vertretung Ihrer Interessen zu übernehmen. Nach Ablauf der Frist soll – idealerweise entsprechend einer vorherigen Vereinbarung, ansonsten durch das Betreuungsgericht - ein Betreuer für diese Aufgabe eingesetzt werden.
Bisher musste man explizit den Ehepartner per Vollmacht hierzu ermächtigen. Fortan ist dies gesetzlicher Standard und man muss (sofern man eine andere Regelung wünscht) bei der Bundesnotarkammer dagegen Widerspruch erheben.
Das Notvertretungsrecht umfasst konkret gemäß § 1358 BGB folgende Punkte:
- Entscheidung über Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe
- Abschluss und Durchsetzung von Behandlungs- oder Krankenhausverträgen sowie eilige Maßnahmen der Rehabilitation und Pflege
- Entscheidung über freiheitsentziehende Maßnahmen aufgrund von psychischer Krankheit oder geistiger Behinderung, sofern die Dauer der Maßnahme sechs Wochen nicht überschreitet
- Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen des Ehepartners gegenüber Dritten aufgrund der Erkrankung, sowie deren finanzielle Nutzung für Punkt 2.
- Einsicht in Krankenunterlagen des Ehepartners. Behandelnde Ärzte sind in den genannten Angelegenheiten gegenüber dem vertretungsberechtigten Ehepartner von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden.
Nach Ablauf der Sechs-Monate-Frist erlischt das Notvertretungsrecht.
Unter welchen Voraussetzungen gilt das Notvertretungsrecht für Ehepartner?
Grundvoraussetzung für das Inkrafttreten des Notvertretungsrechts ist, dass eine Person durch irgendwelche gesundheitlichen Gründe vorübergehend oder dauerhaft an der Wahrnehmung seiner Interessen gehindert ist. Diese Gründe können mannigfaltig sein. Entscheidend ist, dass entweder die Fähigkeit zu vernünftigen Entscheidungen, oder die Fähigkeit, Entscheidungen zu kommunizieren, ausgeschaltet oder jedenfalls stark beeinträchtigt ist.
Wie und ab wann kann man das Notvertretungsrecht wahrnehmen?
Wenn ein solcher gesundheitlicher Notfall eintritt, vergeht, je nach konkreter Situation, ein gewisser Zeitraum, bis den Beteiligten klar wird, dass die betroffene Person einer Vertretung bedarf. Dies kann bei schweren Krankheiten nach einigen Wochen akut werden, oder, etwa bei Unfällen, schon binnen Minuten Not tun.
Der Ehepartner besitzt nun das Recht, diese Vertretung hinsichtlich der oben genannten Punkte zu übernehmen, und kann dieses Recht gegenüber dem behandelnden Arzt geltend machen. Der Arzt entscheidet dann, ob die nötigen Voraussetzungen gegeben sind, und bestätigt dies gegebenenfalls schriftlich, unter Angabe des genauen Zeitpunktes. Ab diesem Zeitpunkt läuft die Sechs-Monate-Frist. Im Gegenzug muss der Ehepartner schriftlich bestätigen, nun das Notvertretungsrecht zu besitzen, und dieses zuvor noch nicht ausgeübt zu haben. Die Vorlage dieses gegengezeichneten Dokumentes ermächtigt den Ehegatten zur Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber allen unter § 1358 BGB genannten Stellen.
Wann kann das Notvertretungsrecht ausgeschlossen werden?
Es gibt laut Gesetz eine Reihe von Gründen, aus denen der Ehepartner sein automatisches Notvertretungsrecht verliert:
- Die Eheleute sind zwar nicht geschieden, leben aber getrennt.
- Der zu vertretende Ehepartner hat sich gegen eine Notfallvertretung durch seinen Ehepartner entschieden bzw. eine andere Person für die Vertretung seiner Interessen in den unter § 1358 BGB genannten Punkten bevollmächtigt.
- Für den zu vertretenden Ehepartner ist (etwa in Fällen langer Krankheit) bereits ein Betreuer eingesetzt.
- Die Voraussetzungen des Notvertretungsrechts sind nicht mehr gegeben, weil entweder der Zustand des Betroffenen sich gebessert hat oder die sechs Monate verstrichen sind.
Sollte man trotz Notvertretungsrecht eine Vorsorgevollmacht erteilen?
Unbedingt!
Das Notfallvertretungsrecht ist, bildlich gesprochen, nur ein gesetzliches Auffangnetz für den Moment des Sturzes. Es gilt nur vorübergehend und nur hinsichtlich der im Gesetz genannten Punkte. Diese machen aber nur einen Bruchteil der anfallenden Aufgaben aus, vor allem, wenn die Notsituation von längerer, womöglich gar unabsehbarer Dauer ist.
Durch die Erstellung einer Vollmacht können Sie ganz individuell Ihren eigenen Wünschen entsprechend und so großzügig oder kleinteilig, wie Sie wollen, darüber bestimmen, was durch wen zu tun ist, falls Sie aus Gesundheits- oder Altersgründen einmal eines Betreuers oder Vertreters bedürfen sollten.
Wenn Sie keinerlei Vorsorge treffen, und das Notvertretungsrecht Ihres Ehepartners nach sechs Monaten ausläuft, ist das gesetzliche Auffangnetz erschöpft, und Ihre persönlichen Angelegenheiten wandern in die Hände von Personen, die durch ein Gericht eingesetzt werden.
Daher sollten Sie die Möglichkeiten der Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung weitgehend ausschöpfen.
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Über die Autoren
Dr. de Leve & Kersten
Dr. de Leve ist Fachanwalt für Erbrecht und wurde in diesem Bereich als Focus Top Anwalt ausgezeichnet. Rechtsanwalt Florian Kersten verfügt ebenso über eine jahrelange Erfahrung als Anwalt für Erbrecht.
Die Kanzlei "Dr. de Leve & Kersten" befindet sich in Münster (Nordrhein-Westfalen). Von dort aus beraten und vertreten die Anwälte Mandanten bei den Themen Vorsorge, Werterhalt und Wertweitergabe aus ganz Deutschland.